top of page
coaching, englisch, Verhandlungen, verhandeln, international, business

Die Sympathiefalle – wie Sympathie Verhandlungen prägt (und uns manchmal aus der Spur bringt)

Die Macht, gemocht zu werden

Wir alle möchten gemocht werden. Und genau dort beginnt in Verhandlungen oft das Problem. Man baut eine gute Beziehung auf, lacht gemeinsam, entdeckt vielleicht sogar, dass man einmal für dasselbe Unternehmen gearbeitet hat oder gemeinsame Bekannte hat. Die Atmosphäre ist freundlich, die Gespräche laufen leicht – und am Ende stellt man fest, dass das Ergebnis zwar angenehm, aber nicht wirklich das war, was man erreichen wollte.


Das ist die Sympathiefalle: der Moment, in dem der Wunsch, gemocht zu werden – oder den anderen zu mögen – das Ergebnis unmerklich verschiebt.


Robert Cialdini beschreibt Sympathie als eines seiner sechs universellen Prinzipien der Beeinflussung – jenes soziale Bindemittel, das Vertrauen schafft und ein „Ja“ leichter macht. Laut ihm beruht Sympathie auf drei Säulen: Gemeinsamkeiten, Komplimente und äußere Attraktivität. Alle drei können Verhandlungen erleichtern, Nähe schaffen und Hemmungen abbauen. Doch jede dieser Säulen birgt auch eine Gefahr, wenn sie übertrieben oder falsch verstanden wird.

 


Quelle: Gemini KI
Quelle: Gemini KI

Drei Wege, wie Sympathie entsteht

Die erste Säule sind die Gemeinsamkeiten. Wir mögen Menschen, die uns ähneln. Vor Jahren wollte mir einmal ein Mann einen Teppichreiniger verkaufen. Noch bevor ich das Produkt überhaupt gesehen hatte, sagte er:

„Lassen Sie uns erst einmal zusammensetzen und uns ein bisschen kennenlernen.“

Nach wenigen Minuten hatte er herausgefunden, dass seine Mutter zufällig für das Unternehmen gearbeitet hatte, bei dem ich früher tätig war. Vielleicht Zufall – aber clever. Sofort war meine Skepsis gesunken. Sobald wir Gemeinsamkeiten entdecken – dieselbe Branche, dieselbe Stadt, dieselbe Fußballmannschaft – fällt es leichter, Vertrauen zu fassen. Doch hier lauert die Verwechslungsgefahr: Nähe ist nicht gleich Einigkeit. Nur weil jemand unseren Humor teilt, verfolgt er noch lange nicht dieselben Ziele.


Die zweite Säule sind Komplimente. Als ich einmal für eine Luxusmarke im Einzelhandel arbeitete, galt dort eine einfache Regel: jedes Kundengespräch sollte ein Kompliment oder eine Form der Wertschätzung enthalten. Kein übertriebenes „Oh, Ihr Freund ist aber ausgesprochen attraktiv“ – auch wenn das wohl manchen in den Sinn kam – sondern kleine, ehrliche Bemerkungen wie:

„Sie haben wirklich ein gutes Auge fürs Detail.“ „Diese Farbe steht Ihnen ausgezeichnet.“


Solche Sätze sind keine Schmeichelei, sondern Ausdruck von Aufmerksamkeit. Sie schaffen Verbindung. Doch sie müssen echt sein. Ich höre Sätze wie „Tolle Idee!“ oder „Da haben Sie völlig recht“ nicht gern, wenn sie bloß aus Höflichkeit gesagt werden. Unechte Komplimente sind wie künstlicher Zucker – süß, aber ohne Substanz.


Die dritte Säule ist die äußere Attraktivität, die weit über das Aussehen hinausgeht. Es geht um Ausstrahlung, Haltung, Offenheit – darum, wie zugänglich und vertrauenswürdig jemand wirkt. In einer Fernsehdokumentation des History Channel wurden zwei Autoverkäufer miteinander verglichen. Der eine begrüßte Kunden mit offener Körperhaltung, direktem Blickkontakt und einem ehrlichen Lächeln; der andere blieb steif und distanziert. Das Ergebnis war eindeutig: Der offene Verkäufer schloss deutlich mehr Verkäufe ab, besonders mit weiblichen Kundinnen, die ihn später als „sympathisch“ und „leicht ansprechbar“ beschrieben.


Ähnliches beobachte ich in Trainingsräumen. Schon der Moment, in dem man den Raum betritt, entscheidet über die Atmosphäre. Wer hinter dem Tisch steht und sich in seinen Unterlagen vergräbt, schafft Distanz. Wer Teilnehmende an der Tür begrüßt, ein paar persönliche Worte wechselt und Interesse zeigt, öffnet die Tür zu echter Begegnung. Manche Trainerinnen und Trainer halten bewusst Abstand – ich nicht. Ein Gespräch beim Kaffee, ein gemeinsamer Spaziergang zur Mittagspause – das sind einfache, aber wirkungsvolle Wege, Verbindung aufzubauen. Unprofessionell ist das nicht – es ist menschlich. Die Grenze liegt dort, wo Nähe zur Nachgiebigkeit wird. Offenheit darf den Dialog fördern, nicht die Entschlossenheit schwächen.

 


Quelle: Gemini KI
Quelle: Gemini KI

Herzlich bleiben, ohne den Fokus zu verlieren

Warum funktioniert Sympathie so stark? Weil sie unser Warnsystem ausschaltet. Wenn wir jemanden mögen, nehmen wir Wohlwollen an, hören anders zu und hinterfragen weniger. Psychologen nennen das den Halo-Effekt: Ein positiver Eindruck färbt alle weiteren Urteile. Ein Lächeln, eine angenehme Stimme, eine gemeinsame Geschichte – und schon wirkt alles stimmiger, als es vielleicht ist. In Verhandlungen kann das teuer werden.


Erfahrene Verhandlerinnen und Verhandler spüren, wann Sympathie in Voreingenommenheit kippt. Sie behalten einen inneren Beobachter: die leise Stimme, die fragt: „Würde ich dem auch zustimmen, wenn wir uns nicht so gut verstehen würden?“ Spätestens wenn man anfängt, Dingen nur zuzustimmen, um die Stimmung nicht zu trüben, schnappt die Sympathiefalle zu.


Das Gegenmittel ist Balance. Wärme und Klarheit gehören zusammen. Beziehung aufbauen – ja. Aber Haltung bewahren – ebenso. Komplimente sollen ehrlich sein, nicht strategisch. Gemeinsames kann den Einstieg erleichtern, darf aber nicht das Ergebnis bestimmen.


Ich erinnere mich an ein Gespräch mit dem Geschäftsführer eines Unternehmens, mit dem ich gern zusammenarbeiten wollte. Nach einem offenen Austausch sagte er:

„Herr Hawkins, ich habe große Achtung vor Ihnen – aber dieses Projekt passt im Moment einfach nicht zu uns.“


Dieser Satz ist mir geblieben, weil er das Ideal auf den Punkt brachte: Respekt ohne Zugeständnis, Empathie ohne den klaren Blick zu verlieren.

Sympathie baut Brücken – doch nicht jede Brücke führt ans richtige Ufer. Freundlich, offen und menschlich zu sein, ist ein Zeichen von Stärke. Aber die Entscheidung muss immer der Sache gelten, nicht dem Wunsch, gemocht zu werden. In Verhandlungen wie im Leben sollte Wärme Türen öffnen – nicht den eigenen Standpunkt zum Schmelzen bringen.

 

 
 
 

Kommentare


bottom of page